Colalaila classic

 









































































Konzertkritik Weinheimer Nachrichten / Odenwälder Zeitung 28.1.2005


Bergstraße


Gabriely lässt ihre Klarinette lachen und weinen

(nak) "Musik öffnet den Himmel." Dieses abgewandelte jüdische Zitat hätte am Sonntagabend durchaus das Thema des hochkarätigen Konzerts von Colalaila Classic in der ehemaligen Synagoge in Hemsbach sein können. Der örtliche Kulturförderkreis hatte zu Klezmer, einem Nachhilfekurs in Jiddisch und jüdischem Humor geladen und fand viele Interessierte: Das Konzert war ausverkauft.

Cellist Stefan Welsch und Pianist Peter Przystaniak eröffneten den Abend mit melancholischen Tönen. Während der musikalischen Einleitung betrat die "Queen of Klezmer", Irith Gabriely zusammen mit der Geigerin Elisabeth Bogensberger spielend die Synagoge. Die Leute drehten sich um und sahen Gabriely, die wie ein Schlangenbeschwörer ihre Klarinette spielte, am Publikum entlang schleichen und die Bühne betreten. Wie eine Wahrsagerin gekleidet, stand sie vor den Zuschauern und lachte und weinte in ihre Klarinette.

Wie bei vielen Stücken der Gruppe wurde die anfängliche Melancholie des ersten Stücks durch furiose und äußerst lebenslustige Arrangements abgelöst. Eine Mischung aus sehr emotional gespielten Jazz-, Klassik- und Klezmerelementen gaben der Musik der Gruppe ihren unverwechselbaren Charakter. Der Zuschauer wurde auf eine jüdische Hochzeit entführt, um sich dann plötzlich im Ambiente eines Wiener Kaffeehauses wiederzufinden. Starke Dynamik- und Tempiwechsel sowie abrupte Pausen mit akkuratem Wiedereinstieg aller Instrumente ließen den Zuschauer atemlos hinter der Musik "herhecheln".

Doch dann kam unvermittelt eine Atempause in Form eines melancholischen Geigen- oder Klarinettensolos, das wiederum in eine furiose Auflösung aller Instrumente mündete. Die Fähigkeit zu gekonnten Übergängen erlaubte es der Gruppe auch, unter anderem die Melodie des Beatles-Stückes "All you need is love" in das Stück "All you need is a Yiddische Mamme", problemlos zu integrieren. Die vier Musiker schafften es sogar, ihren Instrumenten teilweise völlig untypische Töne und Geräusche zu entlocken: das Cello schnarchte beispielsweise, die Klarinette pfiff wie ein Zug.

Das Stück "The Hebrew Melody" war für alle Geigenliebhaber ein besonderer Leckerbissen. Die Salzburgerin Bogensberger, die über die Wiener Musikhochschule, die Salzburger Festspiele und die Wiener Philharmonie zur Gruppe gestoßen war, präsentierte mit Klavierbegleitung ein furioses, aber herzerweichendes Solo von solch Intensität, dass man fast glaubte Tränen in ihren Augen zu sehen. In einer Demonstration unglaublicher Fingerfertigkeit jagten ihre Finger über das komplette Griffbrett und brachten ihre Geige buchstäblich zum Schwingen.

Auch die anderen Musiker stellten ihr Können eindrucksvoll unter Beweis. Bei dem Stück "Allegro Appassionato" von Camille Saint Saens, sagte Gabriely in ihrer Ansage gar, dass sie keinen Cellisten kennt, der dieses Stück jüdischer spielen könne als der Holsteiner Welsch. Er spielte das Cello tatsächlich so gekonnt aus, dass es beinahe wie eine flinke Geige klang. Der gebürtige Mainzer Przystaniak bildete das rhythmische Fundament der Gruppe, aber er glänzte auch mit eindrucksvollem Klavierspiel. Hier ist besonders das von ihm komponierte "Keep in Mind - Tango Immortal" oder auch "Pit"s Old Klezmer" zu nennen.

Abgerundet wurde die Darbietung durch sporadische und erheiternde Einwürfe Gabrielys. Mit einer "scharfen" Prise jüdischen Humors erzählte die in Haifa geborene Klarinettistin Geschichten über ihrer Eltern und brachte das Publikum mit Witzen zum Lachen. Diese Mischung aus Humor, jüdischem Lebensgefühl und Musik ließ das zweistündige Programm von Colalaila Classic wie im Flug vergehen. Das hebräische Wort Colalaila hätte, wenn es nach dem Publikum gegangen wäre, durchaus in die Tat umgesetzt werden können - die Übersetzung lautet nämlich "die ganze Nacht".

Traditionelle Klezmer Musik wurde über Jahrhunderte hinweg im Ostjudentum gepflegt. Ähnlich der Gospel-Musik strahlt sie Lebensfreude und Trauer aus. Im Hebräischen ist das Wort Klezmer in zwei Wörter unterteilt. "Klej" bedeutet Instrumente und "Semer" Lied. Im Jiddischen werden diese beiden Begriffe zusammengefasst - "Klejsmer".





Mozart die ganze NachtIrith Gabriely und die Colalaila Classic in Poppenreuth Bei Irith Gabriely ist eines unvermeidlich: die typische Klezmer-Klarinette. Ob sie chassidische Melodien, Beethoven-Stücke oder, wie in ihrem Programm „Mozart und seine Freunde", Kompositionen des österreichischen Genies spielt, alles wird verklezmert. Das Instrument der preisgekrönten Giora-Feidmann-Schülerin näselt, quietscht, schnattert, plaudert, reißt aus, bleibt zurück, um aufzuholen und ist omnipräsent. „Für mich ist jede Musik, die intensiv und mit Herzblut gespielt wird, jüdisch", meinte die „Queen of Klezmer" bei ihrem Auftritt in der Poppenreuther Kirche St. Peter und Paul. Der Arbeitskreis Dorfgestaltung hatte eingeladen, und eine große Gästeschar war gekommen. Fröhliche Feier Sie hörten als Gabrielys Beitrag zum Mozart-Jahr ein bunt gemischtes Programm, das bei weitem nicht nur seine Werke enthielt. „Mozart war sehr fröhlich und bescheiden. Wahrscheinlich hätte es ihm nicht gefallen, zu seinem 250. Geburtstag dermaßen im Mittelpunkt zu stehen. Darum wollen wir auch Stücke seiner Freunde spielen", begründete Irith Gabriely die Zusammenstellung, während sie gekonnt plaudernd moderierte und zahlreiche Anekdoten aus Mozarts Leben, aber auch über sich und ihre Mitmusiker erzählte. Die Truppe, die da so rhythmisch, temperamentvoll, virtuos und sehr emotional, immer mit dem bezaubernden Klarinettenklang als Basis, musiziert, heißt „Colalaila Classic". Die Mitglieder sind Peter Przystaniak, der Pianist, Komponist und Arrangeur, der den Abend mit flotten Tango- und Samba-Stücken bereicherte, aber auch für die „Verklezmerung" der Klassik verantwortlich zeichnet, Stefan Welsch am Cello, der den Rhythmus vorgab, und Elisabeth Bogensberger an der Violine. Die junge Musikerin vom Wiener Kammerorchester, die durch technische Perfektion bestach, hatte eigens einen anderen Auftritt abgesagt, um in Poppenreuth dabei zu sein. Chassidischer Salsa Die Leichtigkeit und Unbekümmertheit, mit der die vier Musiker Mozart, Chopin, Klezmer, Jazz und eigene Kompositionen von Peter Przystaniak fulminant zu neuen Interpretationen verbinden, beeindruckte. Ob Mozarts erstes Menuett im zarten Alter von fünf Jahren oder Przystaniaks „chassidischer Salsa", alles saß punktgenau und ertönte in vollem, orchestralem Gesamtklang. Gewürzt mit einer Prise Schtetl-Musik zum Anfassen entstand ein kurzweiliger Abend, der zwar für Mozart-Puristen zu wenig Authentisches enthalten haben könnte, dafür aber auf der Höhe der Zeit war. Das begeisterte Publikum forderte Zugaben und ließ das Konzert nicht so schnell enden. Da passte es gut, dass sich die Gruppe den Namen „die ganze Nacht" gegeben hat, denn genau so kann man das hebräische Wort „Colalaila" übersetzen. CLAUDIA SCHULLER